Exkursion an die ehemalige Innerdeutsche Grenze
Im Rahmen der AG „Spurensucher“ beschäftigten sich 16 Schülerinnen und Schüler (im Folgenden SuS) der CJD Sekundarschule im Schuljahr 2021/22 mit dem Thema Flucht und Migration von DDR-Bürgern. Nach ersten Spurensuchen mit Spaziergängen mit Blick auf das historische Versmold und der Vergleich des heutigen Versmolds mit historischen Karten aus dem „Atlas historischer Städte – Versmold“ von Dr. Rolf Westheider entschieden sich die SuS selbst für das Thema, da einige SuS der Gruppe Vorfahren haben, die ehemalige DDR-Bürger sind. Im Verlauf des Schuljahres sprachen die SuS mit ehemaligen DDR-Bürgern mit Wohnsitz Versmold und Umgebung, erhielten im Rathaus vom Stadtarchivar Dr. Rolf Westheider eine Einführung in das Lesen historischer Schriften, das Standesamtswesen, Einblicke in originale historische Dokumente der Stadt sowie Zeitungsartikel über Flüchtlinge und Vertriebene der Nachkriegszeit im Altkreis Halle.
Die Ziele der AG sind einerseits, die SuS der Sekundarschule mit der Geschichte und Vergangenheit ihrer Stadt vertraut zu machen und so eine engere Verbundenheit herzustellen, andererseits eigenständiges Forschen und Lernen zu fördern und den SuS historische und politische Bildung zu vermitteln.
Um das angehäufte Wissen zu festigen, plante die AG eine Exkursion an die ehemalige innerdeutsche Grenze, die einen Besuch des Grenzlandmuseums Eichsfeld in Teistungen und des Grenzdurchgangslagers Friedland beinhaltete. Die Bürgerstiftung Versmold unterstützte die Exkursion durch eine finanzielle Förderung.
Am 01.Juni um 08.00 Uhr morgens brach der Bus mit 12 SuS, Stadtarchivar Dr. Rolf Westheider, Frau Stümmler und Herrn Kästner in Richtung innerdeutscher Grenze auf. Um 11.30 Uhr erreichte die Gruppe das Grenzlandmuseum Eichsfeld (https://www.grenzlandmuseum.de/) und bekamen eine Führung über das Außengelände entlang der innerdeutschen Grenze. Dort besichtigten die Schüler die Zollabfertigung, DDR Grenzsäulen, den Grenzsperr- und Signalzaun inkl. der Selbstschussanlagen, den Kolonnenweg mit Beobachtungstürmen, Beobachtungsbunkern, Hundelaufanlagen und einem KFZ-Sperrgraben. Besonders in Erinnerung blieb des SuS die KFZ-Sperranlage, die innerhalb von Sekunden die Straße versperren konnte und dabei Autos zerstören konnte.
In der Mittagspause versorgten Herr Kästners Eltern die Forschergruppe mit Eichsfelder Spezialitäten sowie Süßigkeiten und „Vita-Cola“ aus DDR-Zeiten.
Nach der Stärkung begann für die SuS ein 2 ½ stündiger Workshop zum Thema Leben im Grenzstreifen sowie Ausbau und Perfektionierung der Grenze. Dabei erarbeiteten die Spurensucher mithilfe von Texten und Quellen zuerst Themenschwerpunkte des Museums in Gruppen und präsentierten anschließend ihre Ergebnisse im Museum, führten also eigenständig eine Museumsführung durch. Auch andere Gäste lauschten den Referaten der Schüler.
Anschließend fuhren die Junior-Historiker*innen weiter nach Göttingen. Nachdem die Zimmer in der Jugendherbere bezogen waren, gab es Abendbrot sowie eine anschließende abendliche Besichtigung der Göttinger Innenstadt, die sowohl mit historisch interessanten Fachwerkhäusern und Gebäuden im Jugendstil als auch mit beliebten Studentenkneipen den Blick der Jugendlichen auf sich zog.
Am nächsten Morgen ging es zum Grenzdurchgangslager Friedland (https://www.museum-friedland.de/museum/zeitstrahl/) und die Gruppe wurde durch das Museum und über das Außengelände geführt. Das Grenzdurchgangslager wurde 1945 eingerichtet, um die vielen Flüchtlingsströme aus den ehemaligen Ostgebieten und deren Verteilung besser organisieren zu können, später kehrten Kriegsgefangene aus der ehemaligen Sowjetunion über Friedland in ihre Heimat zurück. Auch heute ist der Komplex aktiv, denn auch heute noch kommen dort Flüchtlinge an und warten auf einen neuen Wohnort. Das Museum befindet sich im ehemaligen Bahnhofsgebäude, sodass die SuS in der Bahnhofshalle auf den selben Holzbohlen standen wie bereits die Flüchtlinge im Jahr 1945, was großes Staunen auslöste. Die Jugendlichen lernten in mehreren Räumen etwas über die verschiedenen Flüchtlingsströme zwischen 1945 und 2015, sahen originale Requisiten wie eine selbstgebastelte Puppe eines Mädchens aus Polen, sahen Fotos von Flüchtlingen zu verschiedenen Zeiten und hörten auch Originaltonaufnahmen, z.B. das hochemotionalisierende Interview mit Ernst Wissemann, ein 1956 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrter Mann, der beim Grüßen seiner Frau und Kinder zu schluchzen beginnt und Tränen laufen lässt.
Die Exkursion fand nach dem Besuch eines Schnellrestaurants und der Heimfahrt ihr Ende. In den Augen aller Beteiligten war die Exkursion ein voller Erfolg, alle SuS waren begeistert und voll des Lobes und überfielen ihre am Parkplatz wartenden Eltern sofort mit den ersten Berichten, was sie besonders beeindruckt hat.